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RR-Interview mit Guido Borning und Heiko Nagel zu den Themen Tarifverhandlungen, die verkehrspolitische Situation im Land sowie der Fahrer*innenmangel.

Mainz den 21.07.2022 – Der Rote Renner hat mit Guido Borning und Heiko Nagel, den beiden Geschäftsführern von MOLO e.V., gesprochen. Gesprächs-Schwerpunkte waren die langwierigen Tarifverhandlungen, die verkehrspolitische Situation im Land sowie der Fahrer*innenmangel.

»Land und Kommunen bekennen sich nicht eindeutig zum ÖPNV«

Herr Borning, Herr Nagel, Sie haben sich nach einem wahren Marathon Ende der vergangenen Woche mit verdi auf einen Manteltarifvertrag unter Vorbehalt geeinigt. Erst einmal herzlichen Glückwunsch hierzu. Warum ist der Vertrag unter Vorbehalt?

Wir haben den Vertrag unter Vorbehalt unterzeichnet, weil die endgültigen Beschlüsse zur Refinanzierung der Personalmehrkosten, welche in dem Vertrag festgesetzt werden, durch die öffentliche Hand derzeit noch nicht vorliegen. Der Vertrag wurde daher um ein Sonderkündigungsrecht bis zum 30. September ergänzt. Bis dahin will das Land die notwendigen Beschlüsse zur Refinanzierung vorlegen. Wir hatten unsere Unterschrift immer an die Bedingung einer festen Refinanzierungszusage von Land und Aufgabenträgern geknüpft. Daher dieser Weg. Wir sind nun zuversichtlich, dass das Land bis Ende September liefern wird.

Lassen Sie uns über die allgemeine verkehrspolitische Situation im Land Rheinland-Pfalz sprechen. Wie stellt sich Ihre Zusammenarbeit mit dem neuen rheinland-pfälzischen Mobilitätsministerium dar?

Grundsätzlich müssen wir sagen, dass das Mobilitätsministerium als Abteilung im Umweltministerium personell nicht adäquat ausgestattet ist. Das führt dazu, dass Ansprechpartner und Sachbearbeiter fehlen, die den Blumenstrauß an Themen adäquat bearbeiten konnten. Man hat den Eindruck, dass der Mobilitätssektor, der aus dem Verkehrsministerium ausgegliedert und in das Umweltministerium überführt wurde, letztendlich durch die Ministerin und einem Staatssekretär bearbeitet wird, es also gar keine wirkliche Fachebene gibt. lnsbesondere der erst kürzlich ins Amt gekommene Staatssekretär verantwortet den gesamten Mobilitätsbereich, was viel zu viel für eine Person ist, wenn die entsprechende Fachebene faktisch fehlt. Ein zusätzliches Problem ist, dass die Sparte ÖPNV beim Umweltministerium, die Sparte Reiseverkehr jedoch beim Wirtschaftsministerium angesiedelt ist. Unser Eindruck ist, dass schwierige Aufgaben zum Teil zwischen den Ministerien hin- und hergeschoben werden. Teilweise wird es unübersichtlich.

Lässt sich eine Fokussierung des rheinland-pfälzischen Mobilitätsministeriums unter Leitung von Katrin Eder auf die Unterstützung kommunaler Verkehrsbetriebe zulasten mittelständischer Busunternehmen ausmachen? Als Beispiel ließen sich das ÖPNV-Konzept Nord oder die Novellierung des Landesnahverkehrsgesetzes vom Februar 2021 heranziehen.

Wir hatten gerade von einem grün geführten Mobilitätsministerium erwartet, dass ein großer Fokus auf den ÖPNV gelegt wurde. Doch wir stellen fest, dass der Fokus und die Herangehensweise an verkehrspolitische Themen anders sind als in der Vergangenheit. Wir beobachten, dass nicht von den Unternehmen initiierte Angebote verfolgt werden, sondern von öffentlicher Hand geplante Verkehre umgesetzt werden sollen. Das novellierte Nahverkehrsgesetz verdeutlicht den Perspektivwechsel der Politik hin zum Bestellermarkt.

»Das novellierte Nahverkehrsgesetz verdeutlicht den Perspektivwechsel der Politik zum Bestellermarkt«

Guido Borning und Heiko Nagel, Geschäftsführer von MOLO e.V.

Das ÖPNV-Konzept Nord ist daneben als weiterer Baustein zu verstehen, der weg von eigenwirtschaftlichen Verkehren hin zu gemeinwirtschaftlichen Verkehren führt. Immer mehr Verkehre gehen in den Ausschreibungswettbewerb. Das führt dazu, dass klein- und mittelständische Betriebe Schwierigkeiten haben am Markt teilzunehmen.

Unser Ziel war es bei der Erstellung des Landesnahverkehrsgesetzes darauf hinzuwirken, dass Verkehre so gestaltet werden, dass auch klein- und mittelständische Betriebe partizipieren können, etwa durch entsprechende Bündelgrößen, verbindliche Subunternehmerquoten o.ä.. Leider hat dies keinen wirklichen Niederschlag im Nahverkehrsgesetz gefunden. Wir hoffen sehr — und wir werden alles notwendige dazu veranlassen darauf hinzuwirken — dass der im NVG vorgesehene Landesnahverkehrsplan einige unserer Vorstellungen aufnimmt.

Wie sind die Folgen der politischen Situation für die Betriebe im Land?

Es herrscht bei den Betrieben aufgrund der eben beschriebenen Entwicklungen eine breite Verunsicherung. Die Betriebe befinden sich darüber hinaus in einer finanziellen Krisensituation, das trifft deutschlandweit zu. Der zusätzliche über Jahre andauernde Tarifkonflikt zollt seinen Tribut. Hier sind manche Bundesländer weiter. Baden-Württemberg, Hessen, das Saarland, diese drei haben beispielsweise Grundlagen wie einen Preisindex geschaffen, mittels derer sich die Sozialpartner besser verständigen können.

Angesichts des jahrelangen Tarifkonfliktes im Land. Hat Verdi das Fehlen eines Preisindex Ihrer Einschätzung nach bei der Höhe ihrer Forderungen ausgenutzt?

Nein, verdi fordert auch einen Preisindex. Nur, verdi will nicht auf die Einführung eines solchen Index warten. Die Erwartungshaltung bei den Fahrern ist sehr hoch. Das Problem in Rheinland-Pfalz ist, das Nachholbedarf besteht. Die Busfahrerlöhne sind in anderen Bundesländern im Laufe der Jahre entsprechend angestiegen. In Rheinland-Pfalz muss das angeglichen werden. Wir befinden uns daneben in einer Dreieckskonstellation: Die Refinanzierung der Lohnerhöhungen durch die

öffentliche Hand muss mitgedacht werden. Eine Ad hoc-Erhöhung der Löhne innerhalb von ein, zwei Jahren ist also ohne klaren Refinanzierungsmechanismus nicht möglich.

Gibt es aktuell eine Perspektive auf die Einführung eines Preisindex?

In Rheinland-Pfalz herrscht eine spezielle Situation, bzw. eine unglückliche Rolle der Politik, der öffentlichen Hand. Immer wieder werden Versprechungen gemacht, auf Basis derer Tarifabschlüsse eingegangen werden. Diese wurden durch das Land aber erst Zeit verzögert, halbherzig oder gar nicht erfüllt. Daneben war ein Rheinland-Pfalz Index bereits zu Januar 2021 versprochen, dann zu Januar 2022, er ist, Stand heute, immer noch nicht da. Nur durch den Index können wir jedoch eine nachhaltige Befriedung des Tarifkonfliktes erreichen. Das hat in anderen Ländern besser funktioniert.

Ende Juni 2022 hatten wir einen Termin mit Staatssekretär Hauer, auf dem sich das Ministerium erstmals dem Thema Preisindex angenähert hat. Bisher wollte man immer eine Förderverordnung und nicht die Abhängigkeit vom Index. Aus unserer Sicht ist die Förderverordnung jedoch der Sache nicht dienlich, da sie uns von den jährlichen Haushaltsbeschlüssen der Aufgabenträger abhängig macht. Ohne einen Index bleibt die Unsicherheit für die Sozialpartner bestehen. Daher muss der Preisindex das große Ziel sein, auch der Politik und der Aufgabenträgerschaft.

»Das Land und die Kommunen bekennen sich nicht eindeutig zum ÖPNV, denn sonst würden sie sich nicht vor einem Preisindex scheuen.«

Guido Borning und Heiko Nagel, Geschäftsführer von MOLO e.V.

Daneben ist unsere Beobachtung, dass das Land und die Kommunen sich nicht eindeutig zum ÖPNV bekennen, denn sonst wurden sie sich nicht vor einem Refinanzierungsmechanismus in Form eines Preisindexes scheuen. Dieser wurde nach deren Vorstellungen eine Blackbox darstellen. Die öffentliche Hand musste die Tarifabschlüsse der Sozialpartner abfangen, worin eine Unsicherheit für sie besteht, da sie dann die Abschlüsse nicht vorher antizipieren könnte. Andere Bundesländer vertrauen jedoch den Sozialpartnern, vertrauen darauf, dass ihr Abschluss maßvoII sein wird.

Lassen Sie uns über den grassierenden Fahrermangel in der Branche sprechen. Sie als Verband haben schon früh vor dieser Entwicklung gewarnt.

Das Thema Fahrermangel beschäftigt uns seit Jahren. Wir machen schon lange und regelmäßig darauf aufmerksam. Bereits beim ÖPNV-Konzept Nord hatten wir davor gewarnt, dass die Ausweitung der Verkehre bzw. der Taktung mit einem Mehrbedarf an Fahrpersonal einhergehen wird. Obwohl wir der Politik über Jahre permanent Vorschlage zur Lösung des Problems machen, wurde das Thema nach unserer Auffassung nicht mit der notwendigen Intensität angenommen. Es braucht eben auch die politischen Leitplanken. Unsere Branche konkurriert mit anderen Branchen. Im Vergleich haben wir weniger attraktive Rahmenbedingungen und viel Bürokratismus – das muss im Gesamten überdacht werden. Das fängt bei den Führerscheinkosten, dem Zugang für Ausländer in den Beruf, den Hürden bei der Berufsqualifizierung an. Auch reicht die Bezahlung nicht. Wir haben Ministerpräsidentin Malu Dreyer angeschrieben, machen dem Mobilitätsministerium Angebote, über Jahre hinweg, doch der Ball wurde bislang leider nicht richtig aufgehoben. Herr Borning, Herr Nagel, vielen Dank für das Gespräch. Das Gespräch führte Vera Wendlandt-Meeser.